Gerichtsverfahren EuGH-Urteil: Ein Meilenstein für den fairen Wettbewerb auf dem Kfz-Ersatzteilmarkt

Brüssel, 20. Oktober 2023. FIGIEFA begrüßt das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache CarGlass/ATU gegen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) als einen bedeutenden Schritt zur Förderung eines fairen Wettbewerbs im
Kfz-Ersatzteilmarkt, der letztlich den europäischen Verbrauchern zugute kommt.

 

Der EuGH entschied, dass Fahrzeughersteller unabhängigen Marktteilnehmern keine Bedingungen auferlegen dürfen, die nicht in der Typgenehmigungsverordnung festgelegt sind. CarGlass/ATU hatte sich darüber beschwert, dass FCA Fahrzeuge mit so genannten "sicheren Gateways" ausstattet.

Diese "sicheren Gateways" sind dadurch gekennzeichnet, dass unabhängige und zugelassene Werkstätten verpflichtet sind

  1. sich vorher bei der FCA zu registrieren,
  2. sich mit persönlichen Verbindungsdaten auf einem von der FCA bestimmten Portal anzumelden,
  3. ein kostenpflichtiges Abonnement für die Nutzung der markenübergreifenden Diagnosetools zu erwerben und
  4. sich mit diesem Server zu verbinden, um Schreibvorgänge durchzuführen, Fehlercodes zu löschen, Neukalibrierungen vorzunehmen und Fahrzeugteile zu aktivieren.

 

Der EuGH beurteilte diese Anforderungen als rechtswidrig, da sie in der Verordnung (EU) 2018/858 nicht als gültige Zugangsbedingungen genannt werden und somit das Recht und die Fähigkeit unabhängiger Marktteilnehmer, Reparaturen durchzuführen, einschränken würden.
Da Fahrzeuge immer ausgefeiltere Funktionen wie ADAS enthalten, ist die Fähigkeit, solche Systeme zu aktivieren und zu kalibrieren, von entscheidender Bedeutung, und die Rechte unabhängiger Werkstätten, dies zu tun, müssen geschützt werden.

Diese bedeutsame Entscheidung spiegelt das unerschütterliche Engagement des FIGIEFA wider, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und einen gleichberechtigten Zugang zu Diagnose-, Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI) und Fahrzeugdaten zu gewährleisten. Diese Grundsätze sind von grundlegender Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Aftermarket-Dienstleistungen für die 280 Millionen Fahrzeuge von Verbrauchern und Unternehmen in Europa.

Das Urteil ist eindeutig: Die Fahrzeughersteller sind an die in der Typgenehmigungsverordnung 2018/858 ausdrücklich vorgesehenen Beschränkungen des Zugangs zu OBD- sowie Reparatur- und Wartungsinformationen gebunden. Unabhängigen Marktteilnehmern muss der Zugriff auf den "vollständigen Diagnosedatenstrom" über den OBD-Anschluss gewährt werden, der das Lesen und Schreiben von Daten im Stillstand und das Lesen von Daten während der Fahrt umfasst.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des EuGH-Urteils ist die Anerkennung der Tatsache, dass die Einhaltung der UNECE-Regelung R155 zur Cybersicherheit (auf die jetzt in der EU-Verordnung über die allgemeine Sicherheit 2019/2144 verwiesen wird) die Fahrzeughersteller nicht von ihren RMI-Verpflichtungen im Rahmen der Typgenehmigungsvorschriften entbindet. Der Gerichtshof entschied, dass die Auferlegung eines sicheren Gateways mit Bedingungen, die die Zugangsrechte legitimer Betreiber behindern, verboten ist.

FIGIEFA hat sich stets für die Cybersicherheit in Fahrzeugen eingesetzt und unterstützt praktische und verhältnismäßige Schutzmaßnahmen. Die Gründung von SERMI ist ein Beweis für das konstruktive Engagement von FIGIEFA und befreundeten unabhängigen Ersatzteilmarktbetreibern zusammen mit Fahrzeugherstellern, um kritische Sicherheitsbedenken in Bezug auf den Zugang zu sicherheitsrelevanten (Anti-Diebstahl-) RMI zu beseitigen.

 

Das EuGH-Urteil betrifft einen entscheidenden Aspekt des fairen Wettbewerbs auf dem Kfz-Ersatzteilmarkt.  FIGIEFA fordert die Kommission daher dringend auf, den Rechtsrahmen fertig zu stellen und ihren Vorschlag für die sektorspezifische Datengesetzgebung zu beschleunigen, der spezifische Anforderungen zur Aufrechterhaltung des Zugangs zu OBD-Port-Daten und -Funktionen enthalten sollte. Dieser Vorschlag sollte ein Gleichgewicht schaffen, das es den Herstellern ermöglicht, sicherheitskritische Fahrzeugfunktionen zu schützen und gleichzeitig einen effektiven Zugang für rechtmäßige Betreiber zu gewährleisten.

Es ist wichtig zu beachten, dass der EuGH-Fall sich ausschließlich auf Reparatur- und Wartungsfälle bezieht. Die sektorspezifische Gesetzgebung muss diesen Anwendungsbereich ausweiten, um Innovation und Dienstleistungsentwicklung in der gesamten Mobilitäts- und Automobildienstleistungslandschaft zu fördern. Um die Chancen des digitalen und umweltfreundlichen Wandels zu nutzen, müssen alle Marktteilnehmer im Rahmen der vorgeschlagenen Gesetzgebung einen fairen und sicheren Zugang zu Daten, Funktionen und Ressourcen im Fahrzeug haben.